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„Der Arm der Mafia reicht bis an den Niederrhein“

von S. Moerkerk

Pizza, Pasta, Eis – dies sind wohl die ersten Antworten auf die Frage „Was haben eigentlich die Italiener nach Deutschland gebracht?“. Stimmt! Und wir lieben italienisches Essen. Dass aber auch weniger erfreuliche Aspekte der italienischen Kultur sich in Europa verbreiten, ist den meisten gar nicht bewusst. Die italienische Mafia agiert weltweit. In Deutschland investiert die Mafia, besonders die sizilianische Cosa Nostra, hauptsächlich in Bauvorhaben. Man müsse davon ausgehen, dass es kaum eine Großbaustelle in Deutschland gebe, bei der nicht die italienische Baumafia ihre Hände im Spiel habe und wo mit Strohfirmen und illegalen Schwarzarbeitern gearbeitet werde. Bereits im Jahr 2003 habe der Bundesrechnungshof die Steuerausfälle in diesem Bereich in einem Sonderbericht auf jährlich mehrere Milliarden Euro geschätzt, so Guido Schulz.

Der Oberstaatsanwalt, bei der Staatsanwaltschaft Kleve unter anderem zuständig für die Bekämpfung Organisierter Kriminalität, besuchte am vergangenen Freitag den Italienischkurs der Q2 und begeisterte die Schülerinnen und Schüler mit einem interessanten Vortrag. Eindrücklich berichtete er von einigen Verfahren der vergangenen Jahre. Bei einem ging es um Geldfälschung in einem italienischen Restaurant in Kleve mit Bezügen zur neapolitanischen Mafia, ein anderes verfolgte eine kriminelle Gruppe aus Sizilien, die sich auf das Aufbrechen von Geldautomaten spezialisiert hatte und die in Kranenburg gefasst wurde. Ein weiterer Fall wegen des Vorwurfs der Geldwäsche führte den Oberstaatsanwalt Schulz persönlich nach Reggio Calabria, wo er mit einem der führenden italienischen Antimafiastaatsanwälte, Dr. Nicola Gratteri, konferierte. „Der Justizpalast in Reggio Calabria gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Die Antimafiaabteilung erreicht man nur durch eine Tiefgarage. Das Büro von Dr. Gratteri ist nur von innen zu öffnen. Der Staatsanwalt kann keinen Schritt tun, ohne von seinen sechs Leibwächtern begleitet zu werden. Diese bewachen ihn und seine Familie rund um die Uhr“, berichtete Herr Schulz.

Besonders interessant waren auch seine Schilderungen über den Besuch im Mafiadorf San Luca. Es handelt sich um ein kleines kalabrisches Dorf mit etwa 3000 Einwohnern, von denen ca. 1800 direkt den unterschiedlichen Mafiafamilien der ‘Ndrangheta zugeordnet werden können. Im Dorf herrsche eine bedrückende Atmosphäre, so der Oberstaatsanwalt, denn auch wenn man die Mafiosi nicht sehe, spüre man doch ihre Anwesenheit, man atme die Mafia. „Das Dorf existiert im Prinzip nur im Untergrund. Während die Häuser von außen eher heruntergekommen aussehen, sind sie von innen prächtig und luxuriös und durch ein ausgeklügeltes Tunnelsystem miteinander verbunden“, zeigte sich auch Herr Schulz sichtlich beeindruckt. „Die mit einer Personalstärke von nahezu 100 Carabinieri ausgestattete Polizeiwache von San Luca gleicht einer Festung. Besonders interessant fand ich die riesige Schauwand, die die Fotos von ca. 1800 Mitgliedern der ‘Ndrangheta und ihre Verbindungen untereinander zeigt.“

Da sich die Schülerinnen und Schüler im Unterricht ausschließlich mit der Rolle der Mafia in Italien beschäftigen (dies ist Thema der Obligatorik des Zentralabiturs), war ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags die Bedeutung der Mafia in Deutschland. Während die Mafia in Italien, besonders im südlichen Sizilien, zum Teil sehr offen agiert und ganze Landstriche regiert, arbeitet sie in Deutschland im Untergrund. Sichtbare Straftaten – wie die Mafiamorde in Duisburg im Jahr 2006 – sind äußerst selten. Die Mafia investiert in Deutschland ihr illegal erwirtschaftetes Geld unter anderem in den Ankauf von Immobilien (man vermutet bei der ‘Ndrangheta einen Jahresumsatz von 53 Milliarden Euro insbesondere durch den weltweiten Handel mit Kokain!) und kontrolliert beinah jedes größere Bauvorhaben. „Die Bekämpfung der Mafia in Deutschland ist extrem schwierig. In Italien muss eine Person im Zweifelsfall nachweisen, dass sie das Geld legal erworben hat, mit dem sie ein Geschäft abwickeln will. Gelingt ihr dies nicht, wird das Vermögen vom Staat einkassiert. In Deutschland verhält es sich genau anders herum: Stoßen Fahnder bei einem Verdächtigen auf einen größeren Betrag ungeklärter Herkunft, dann müssen sie dem Betreffenden nachweisen, dass dieser das Geld illegal aus konkreten Straftaten erwirtschaftet hat, wobei ein solcher Nachweis oftmals nicht zu führen ist“, erläuterte Herr Schulz.

Im Anschluss an den Vortrag hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit Fragen zu stellen – wovon sie auch ausgiebig, bis über das Unterrichtsende hinaus, Gebrauch machten. La Mafia – ein hochinteressantes, aber auch sehr bedrückendes Thema. In diesem Sinne resümiert Herr Schulz: „Die Behörden hier und in Italien machen eine hervorragende Arbeit und trotzdem scheint jeder Schlag gegen die Mafia nur wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.“

Wir danken Herrn Oberstaatsanwalt Schulz ganz herzlich für seine Zeit!