von Jochem Reinkens anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel zur Bücherverbrennung auf unserem Schulhof vor 80 Jahren.
Dies ist ein besonderer Tag für mich, dem dieses Kapitel der Schulgeschichte zeit meines aktiven Lehrerdaseins immer ein Anliegen war. Ich freue mich, dass ich meinen langjährigen Freund Bruno Elbers mit der künstlerischen Ausführung beauftragen konnte, der wie ich nie bereit war, die Verdrängung der lokalen Geschichte des Nationalsozialismus tatenlos hinzunehmen.
Seine bronzene Gedenktafel, aus Rücksicht auf die räumlichen Verhältnisse nunmehr vergrößert, setzt den komplexen Arbeitsauftrag der engagierten Vorbereitungsgruppe um, sowohl die Erinnerung an die Bücherverbrennung wie an das Schicksal der ehemaligen jüdischen Schüler wachzuhalten.
Die vier Blöcke, in denen sich die Text- und Bildaussagen auf der Tafel platziert sehen, sind durch unterschiedliche Oberflächenkörnung, eine nuancierte Variation der Beiztöne und verschiedene Strukturen der Plastizität akzentuiert, vor allem aber dadurch, dass die Morphologie der Tafel durch den markant hervortretenden Buchkorpus eine horizontale Dominante erhält, die an den Seiten offensiv die Begrenzung der Tafel sprengt.
Links oberhalb des in seiner hervortretenden Plastizität den Blick des Betrachters fokussierenden Buches findet sich eine ruhige, plane Fläche, in der einzig der Davidsstern ein Zeichen setzt, kollektives Symbol für die jüdischen Schüler, die diese Schule damals als Reaktion auf die zunehmenden antisemitischen Repressalien zu verlassen genötigt waren, bevor dies per Erlass zum Muss wurde. Diese Schule war in vorauseilendem Gehorsam vorzeitig judenfrei!
Rechts davon der informierende Text über die Bücherbrennug auf diesem Pausenhof, der zugleich eine sinnfällige textliche Klammer zu dem zuvor angesprochenen Sachverhalt enthält:
„Auf diesem Pausenhof verbrannten am 19.05.1933 Klever Nationalsozialisten unter tätiger Mithilfe von Lehrern und Schülern Bücher jüdischer und anderer von ihnen geächteter Autoren. In der Folge war der Verbleib jüdischer Schüler an dieser Schule unmöglich. Entrechtung, Verfolgung und Tod bestimmten ihr Schicksal und das ihrer Familien bis heute. Dies ist uns eine bleibende Mahnung“.
Zentral aber in seiner wuchtig hervortretenden plastischen Präsens steht das Buch, das dergestalt exponiert, einerseits seine Angreifbarkeit offenbart, andererseits aber auch seine massive Fähigkeit, zu widerstehen und zu überdauern.
Im Rahmen des Buchdeckels rechts in typisierender Verfremdung eines dokumentarischen Photos sehen wir die Szene einer Bücherverbennung, wie sie in ähnlicher Form auch hier stattgefunden hat, links das, was den stellvertretenden Charakter der Bücherverbrennung auf den Punkt bringt, die Worte Joseph Roths in großen Lettern:
„Sie werden unsere Bücher verbrennen und uns damit meinen“.
Das lateinische “liber“ steht gleichermaßen für „Buch“ und „frei“. So gesehen, ist das Buch das Medium, in dem die Freiheit des Denkens und Dichtens, die Freiheit der Wissenschaft wie der politischen und philosophischen Meinungsäußerung ihren veröffentlichten Ausdruck findet. Seit dem 19. Mai 1933 für 12 Jahre: fand, denn seit der Bücherverbrennung wurde tumb-brutal Zensur wider den „undeutschen Geist“ praktiziert, für Hitler reihten sich die inzenierten Autodafes ein in die: „geistige Zertrümmerung der gegenüberstehenden feindlichen Gedankenwelt“. Die Elite der deutschsprachigen Literatur war fortan verfemt, waren die Autoren Juden, die dem Holocaust nicht entkommen konnten, blieb es nicht bei der geistigen Zertrümmerung, sondern endete in der physischen Vernichtung.
Es überlebte im Einzelfall aber auch das Buch, und so war es für mich ein bewegender Moment, als im Rahmen der Tagesschau-Berichterstattung über die Hamburger Lesungen zum Gedenken an die Bücherverbrennung die fast 90-jährige Esther Bejarano, überlebendes Mitglied des Mädchenorchester in Auschwitz, ein Buch über jüdischen Humor in den Händen hielt, das ihr als Mädchen geschenkt und über einen Antiquariatskauf wieder zugänglich gemacht worden war. Mit Esther hatte ich zu Beginn meiner Zeit am Niederrhein ein Konzert veranstaltet, ich schätze sie sehr. Esthers Biografie hat den Titel: “Wir leben trotzdem“. Das mag auch, trotz der unseligen Verbrennungs-Fanale, für das Buch gelten, das unübersehbar seine Überlebenskraft eindrucksvoll zur Schau stellt und uns Mut macht, es als Träger des freien, kritischen Geistes zu verteidigen. Ich bin mir sicher, dass unsere heutigen Schüler, denen viele der verfemten Autoren wieder zugänglich gemacht wurden, in einer nunmehr gefestigten Demokratie das nötige kritische Bewußtsein besitzen, sich nie mehr wie damals instrumentalisieren zu lassen. Widerstand gegen den Nazi-Terror leisteten damals ehemalige Schüler, nicht aber Lehrer der Schule. Erstere mögen Vorbild sein!
Vielen Dank an Herrn Reinkens, der seinen Text für die Veröffentlichung auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt hat!
Fotos: Simon Geurtz (EP) und Thomas Lange.